Vintage Computing und Medienarchäologie




In einem Forschungsprojekt zwischen Medienwissenschaft und Informatik untersucht Dr. Stefan Höltgen die Frage, welche Geschichte(n) der Computer hat, auf welche Weise diese bislang dokumentiert wurden, und ob unsere Vorstellungen von und Darstellungen der Computergeschichte dem Medium Computer angemessen sind.

Dabei zeigt sich, dass Computer wie alle Medien nur dann als solche zu verstehen sind, wenn sie operativ sind, also laufen. Das gilt für gegenwärtige Forschungen ebenso wie für Forschungen zur ihrer Geschichte. Ein laufender historischer Computer ist aber von seiner Geschichte „befreit“, weil er das, was er tut, im Hier und Jetzt tut. Diese Diskrepanz zwischen Historizität und zeitloser Gegenwärtigkeit von historischen Computern schlägt nicht nur eine Brücke zwischen Informatik und Medienwissenschaft, sondern bildet auch den Ausgangspunkt für eine aktive Beschäftigung mit Computergeschichte im Retrocomputing. Retrocomputing ist aber nicht bloß ein Hobby, sondern auch Archiv- und Wissensarbeit, Restaurationskunde, angewandte Technikwissenschaft und Geschichtskritik. Diese Aspekte wird Höltgen auf dem Gebiet der Computerarchäologie „hands-on“ an einem mitgebrachten Nachbau des frühen Mikrocomputers „Altair 8800“ live und operativ vorführen und dabei eine Brücke zwischen der Philosophie und Geschichte des Computers seit und mit Leibniz vorstellen, die sich unbewusst auch in aktuellen Computern „verbirgt“ und durch hobbyistische explorative Praktiken zutage gefördert werden kann.

Dr. Stefan Höltgen ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Medientheorien und Promovend am Insitut für Informatik an der Humboldt-Universität zu Berlin. Selbstständiges Lehr- und Forschungsgebiet: Zeitbasierte Medien und zeitkritische Medienprozesse. Er kuratiert die Sammlungen des Signallabors und des Medienarchäologischen Fundus am Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft der HU Berlin. Dort forscht er zur Archäologie der frühen Mikrocomputer und ihrer Programmierung und ist Mitorganisator des Vintage Computing Festivals Berlin und Mitherausgeber der Reihe „Computerarchäologie“.

Das Gespräch fand statt im Patentlesesaal der Technischen Informatonsbibliothek im Rahmen des Technik Salon Hannover. Rahmen war die Veranstaltungsreihe Basis Zwei, die interdisziplinär nach den Zusammenhängen zwischen Digitaltechnik, Kunst- und Wissensproduktion fragte.

Moderation: Eckhard Stasch