George Dyson – Turings Kathedrale

Der Wissenschaftshistoriker George Dyson hat das Buch „Turings Kathedrale“ geschrieben. Darin wird die Frühzeit der Entwicklung des Digitalcomputers in den USA ausführlich geschildert. Dyson hat sehr intensiv recherchert, er bietet eine Fülle an wirklich spannenden Fakten und Zitaten aus dem Umfeld von John von Neumann und dem Institute of Advances Studies in Princeton.

Teilweise neigt das Buch zur übertriebenen Ausführlichkeit. So anregend detaillierte Informationen über Stimmung und Konflikte im Institut, den Fahrstil von Neumanns oder zu seiner dritten Eheschließung sein mögen, manchmal hätte man es vielleicht gerne etwas weniger genau gewußt. Auch ist die zeitliche Gliederung mitunter herausfordernd, wenn in thematisch eher locker gegliederten Kapiteln dasselbe Thema und derselbe Zeitabschnitt aus immer wieder neuen Perspektiven geschildert werden.

Von dieser Kritik abgesehen ist Turings Kathedrale ein phantastisches Buch. Es liefert tiefe Einblicke in inhaltliche Diskussionen im wissenschaftlichen wie technischen Bereich. Wer sich für die Geschichte der Informationstechnik interessiert, kommt an diesem Buch nicht vorbei.

Die 1024 Bits in jedem Zylinder [der Williams Speicherröhren] waren mit bloßem Auge beobachtbar, in Form eines Flackerns, das den Beginn eines jeweils neuen Maschinenzyklus anzeigte […] Was der Operator beobachtete, _war_ das digitale Universum, nicht das Abbild eines Prozesses, der irgendwo anders ablief. […] Die Nutzung eines Anzeigeelementes als Speichermedium war eine jener überraschenden Adaptierungen eines vorhandenen Potentials für nicht vorhandene Zwecke, die der Evolution manchmal auf die Sprünge helfen.

George Dyson – Turings Kathedrale
Ullstein Taschenbuch
624 Seiten
14.99 €